Weiter..? Drei Monate danach

Trostlos, 

so trostlos, 

fast erbärmlich - mein Dasein.

Winzige Versuche, Trost zu finden, indem ich mir vormache, irgendetwas zu bewegen... Irgendjemand lebt anders, 

liebt anders, 

wird ein besserer Mensch werden.. 

ich werde ein besserer Mensch werden..


Aber sollte ein Mensch sowas nicht gerade dann anstreben, wenn er im höchsten Glück lebt? Wie soll jemand in tiefster Trauer, mit einem blutenden Herz etwas verändern? Aber wie soll er denn auch einfach unverändert weiterleben? 

Wie finde ich Trost in der Veränderung die auf mich herab gestürzt ist, in der Veränderung, die sich in mir und aus mir heraus ergießt? 


Alles ist anders unter der Haut. Doch leben kann ich nur die kleinen Dinge: sorgsam ein Album erstellen, über sie schreiben, mich heran tasten an die neue Freundschaft mit meinem Klavier, Yoga üben, suchen.. in der Stille.. in der Natur...


Dieses Wenige, was ich verändert leben kann, taugt nichts als Trost... betrifft es doch nur mich allein - irgendetwas muss doch nach außen, muss in die Welt hinaus?!! Für sie. Für das, was sie der Welt hinterlassen hat. Nein, die kleinen Dinge reichen nicht, um die Veränderung, um dieses zweite Leben irgendwie zu leben. Wohin nur... wohin nur mit mir?

Zurück in ein normales Leben? Damit ich noch mal breche, in zwei Teile? Zwei Leben lebe: ein scheinbar normales - Theaterstück, in dem ich eine Rolle spiele und ein weiteres, wo ich das bin, was mich nun ausmacht? 


Nein! ich möchte mich nicht nochmal spalten, ich möchte mich nicht aufteilen, ich ertrage nicht noch mehr Trennung.

Ich brauche keine Zeit für meine Trauer NEBEN einem alltäglichen Leben. Ich will mein Leid, mein Schicksal und mein totes Kind IN "allen Zeiten", vollumfänglich mitnehmen.


Ich möchte leben dürfen, auch in der mir noch so fernen Außenwelt, was in meinem Herzen ist. Ich möchte nichts ablegen müssen, um irgendjemand zu sein, um irgendwas zu tun in diesem neuen Leben, das ich mir nicht ausgesucht habe. 

Ich möchte mein Kind, meine Trauer, mein, unser Schicksal - alles was mich ausmacht - bei mir tragen dürfen und es niemals ablegen müssen. Für keine Sache dieser Welt, die ich hier noch zu vollbringen habe. 

Ich werde mir nicht Rouge und Lippenstift auftragen, die meinen von Wunden gezeichneten Gesichtsausdruck verbergen, um ins Büro zu gehen. Ich werde mir keine schicken Kleider anziehen, die von meiner Berührbarkeit und meiner inneren Nacktheit ablenken, um zu einer Feier zu gehen. Ich werde keinem Menschen mehr sagen, was er hören will und damit meine Trauer verraten, um unangenehmes Schweigen zu vermeiden. Ich werde niemandem gerecht werden wollen, wenn es gegenüber unserem Leid und meinem Kind unwürdig scheint, nur um nicht noch mehr zu verlieren. 

Ich habe jeglichen Sinn für Unaufrichtigkeit, für Halbwahrheiten, für Unehrlichkeit, für das Maskentragen und Rollenspielen im Leben, das wir sonst ständig tun, verloren. 

In jedem Wort, in jedem Handeln und Wirken, in jeder Begegnungen möchte ich mein Herz und was darin wohnt, dabei haben dürfen.


Bitte! Lasst mich mein Herz behalten dürfen! - Mir ist sonst nichts geblieben. 

Nein, das ist kein Verharren im Schmerz. Gerade das ist doch WEITERleben. Denn, wie könnte ein Mensch leben ohne sein Herz...

WEITERtragen..dich, mein Herz. Dich, in meinem Herzen
WEITERtragen..dich, mein Herz. Dich, in meinem Herzen

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