Erster Todestag. Scherbenhaufen. Blumenwiese

Ich schaue auf den Scherbenhaufen, den dein Tod hinterlassen hat. Ich möchte gern die Blumenwiese


sehen, die blüht seit deiner Geburt, in vielen bunten Farben, mit Blumen, die mir unbekannt sind. Meine Versuche, sie zu entdecken, scheitern an blutigen Fingern. Ich will mir eine Blume pflücken und greife eine Scherbe. Und schneide mich daran. Und alle anderen reden derweil vom Zusammenbauen. Meine Finger bluten aber, die Scherben haben viel zu scharfe Kanten. Mit blutigen Händen habe ich bereits etwas gebaut aus diesem Scherbenhaufen und werfe es heute nochmal gegen die Wand. Nichts ist geschafft nach einem Jahr! Vielleicht glätten sich die Kanten der neuen Scherben in der Blumenwiesen.. und dann blutet nichts mehr beim Zusammenbauen.


Doch heute halte ich mein von Blutflecken gezeichnetes Shirt in der Hand. Blut von dir daran, das tröpfelte, als ich dich, nicht mehr atmend, vor einem Jahr, von den Schläuchen befreite.


Doch heute, halte ich den Waschlappen in der Hand, der die Form einer Schnecke hat, mit dem ich dich vor einem Jahr das letzte Mal gewaschen habe. Doch heute, halte ich eines deiner Kuscheltiere in der


Hand, das ein Pflaster trägt, weil du alle mit Pflastern


versehen hast.. weil du so viele an dir hattest.


Doch heute, halte ich das Holzmobile in der Hand, das ich


vor einem Jahr ein letztes Mal für sich angeschubst habe,


als nicht mehr du, sondern nur noch dein lebloser kleiner


Körper darunter lag.


Ich halte all die Dinge heute, aus einer Schublade hervor


geholt. Das sind die Blumen, die ich kenne. Ich halte sie, solange bis die unbekannten deiner Blumenwiese Namen bekommen. Solange, bis sie die Scherben glatt geschliffen haben, die darin verstreut liegen.


Darin werden auch die neuen von heute sein.


Nichts ist geschafft nach einem Jahr. Kein Scherbenhaufen, keine Blumenwiesen.


PS: du fehlst. Bist meine Scherbe und meine Blumenwiese. DU FEHLST, so sehr, dass Blumen Scherben sind.

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