Über Schuld - Ein Ausschnitt Aus Dem Monat Sieben Danach

Mein Kind ist vor sieben Monaten verstorben. Mein Kopf diskutiert mit sich selbst währenddessen die siebte Therapiealternative und ob die siebenfache Dosis des nicht-zugelassenen Medikamentes besser gewesen wäre als nur die zweifache. Mein Gehirn ist angestrengt und tut fast spürbar weh, während es sieben Wochen auf dem Kalender dazu addiert oder subtrahiert, um den genauen Zeitpunkt zu finden, an dem hätte alles anders verlaufen können, hätten wir ihn bemerkt. Sieben andere Ärzte hätten den ersten Termin für die siebte Untersuchung und die erste Operation sieben Tage vorher gelegt. Vielleicht hat der Tumor in diesen sieben Tagen gestreut. Der erste Befund von einem gewöhnlichen Muttermal als meine Tochter sieben Monate alt war, war sieben Monate später, ein bösartiger fortgeschrittener Hautkrebs, den kein Arzt zu sehen bekam, weil es ja nur ein Muttermal war. Sieben Wochen später staunten sieben verschiedene Ärzte - nach der siebten qualvollen Untersuchung. Sieben verschiedene Abzweigungen geht mein Gehirn durch und verknüpft Synapsen zu einem Parallelleben der Eventualitäten, als ob mein Kind sieben Leben hätte, wie eine Katze.

In den letzten sieben Monaten habe ich so viel gelernt über das Gehirn, die Psyche, den Geist, das Be- und Unterbewusstsein, über die Unterscheidung zwischen dem Ego, dem Ich und dem Selbst. Mein Selbst betrachtet die Absurdität, die das Ich betreibt mit sieben Metern Abstand. Es erkennt, dass ich nach Schuld suche. Schuld ist schon lange vernetzt und hat viele Synapsen in meinem Kopf. Schuld, selbst wenn es meine eigene wäre, liese sich leichter ertragen, als die Ungewissheit?!!

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