Über Angst

Die Vergänglichkeit unseres Daseins in das Leben integrieren - das geschah mir. Ob ich wollte oder nicht, war es in mein Leben integriert. Lange habe ich sogar damit gehadert, weil ich die Angstlosigkeit mit der Gleichgültigkeit dem Leben gegenüber gleichgesetzt hatte. Heute weiß ich für mich, dass keine Angst vor dem Tod zu haben, etwas anderes ist als sterben zu wollen. Und auch dass Nachsterben wollen, wenn man ein Kind verloren hat, nicht das gleiche ist, wie nicht mehr leben zu wollen. Jetzt kann ich, ohne mir selbst etwas vorzumachen, sagen, dass ich keine Angst vor dem Tod habe und gleichzeitig das Leben will, trotzdem oder gerade deswegen.


Wäre da nicht die Angst vor der Angst


In all den schlimmen Monaten während der Erkrankung unserer Tochter, war Angst und Ungewissheit mit Abstand das schlimmste und vorherrschende Gefühl, das absolut Alles einnahm und jeden Atemzug, jeden Augenblick begleitete. Den tiefsten und dunkelsten Abgrund habe ich erlebt wegen und in der Angst. Nicht einmal der Verlust selbst, sondern die Angst zuvor war zerstörerischer - auf allen Ebenen, psychisch, körperlich, geistig und in den Tiefen der Seele. Atemanhalten während man die kleine Hand hält, die nichts mehr halten kann vor Schmerzen oder Müdigkeit.

Jetzt soll ein neues Leben durch mich ins Leben kommen, das ich spüre. Und die einzige Angst, die ich habe, wird ganz groß: eine Angst vor dieser Angst. Nicht, dass wieder etwas Furchtbares passieren könnte - diese Angst kommt, entgegen meiner Befürchtungen, nicht in mir auf. Aber die schlichte Angst davor, dass ich einen Grund haben werde, Angst zu haben.

Irgendwie, scheint das der Preis für die Hoffnung eines neuen Lebens zu sein. 

Ich bin mittendrin - noch zittert die eine Hand, die auf dem leblosen Körper meines Kindes lag und hält fest und schon greift die andere, wissend und fühlend nach dem weiteren. 

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