WinterRiesenloch, Die Brücke Und Der Zweifel

Es ist dunkel und einsam in dem Riesenloch, in dem ich mich nun befinde. Von ganz unten betrachte ich den Abgrund oben, an dem ich stand, bevor ich gefallen bin, mich habe fallen lassen, gesprungen bin, springen musste. Der Abgrund scheint mir wie das Paradies.  


Ich glaube, etwas zu erkennen, das ganz wackelig von dieser Seite des Abgrunds, an der ich stand, zur anderen Seite des Lochs führt. Es muss ein Seil oder gar eine Brücke über dem schwarzen Loch geben.

Mir war bewusst, dass ich das Loch überqueren muss. An dem Abgrund zu stehen, ohne Umkehrmöglichkeit, kam mir vor, wie einen Kaugummi, dessen Geschmacksrichtung Sinnlosigkeit heißt, zu kauen. Und selbst diesen Geschmack hat der Kaugummi bald verloren und ich kaute einfach weiter darauf  herum. 

Mir war bewusst, die andere Seite ist mein Ziel, ein unbekanntes, vielleicht auch nur ein Abgrund desselben Lochs aber vielleicht geht es dort auch in die entgegengesetzte Richtung weiter... Ich sprang, flog, fiel, ließ mich ein.. auf das Riesenloch, in dem ich nun fest stecke und zu zweifeln beginne.


Hätte ich auch das wackelige Ding über mir wählen können, um auf die andere Seite zu kommen? Wenn es ein Seil ist oder gar eine Brücke: hätte ich einen einfacheren Weg gehen können - übers Loch, ohne hinein zu müssen. Gehen und sich festhalten können..? Nicht das dunkelste Dunkel und das schwarzeste Schwarz, die kälteste Kälte erleiden?


Manchmal, denke ich tatsächlich, jemanden auf dem wackeligen Ding zu sehen, der wie ein Seiltänzer einen Schritt nach dem anderen macht. Ob und wo er ankommt, entzieht sich meiner Wahrnehmung. Viel öfter, denke ich, jemanden zu sehen, der abstürzt und hinunter fällt.. ins Riesenloch. Ob sein Aufprall schmerzhafter ist als mein bewusst gewähltes Fallen? 


Ich zweifle an der Brücke. 

Ich zweifle immer weiter.

Ich zweifle an dem Loch.

An der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des Aufenthalts darin, an der Aufgabe, es zu durchschreiten. Ich meine, immer wieder die andere Seite hell leuchtend zu sehen und einen Weg dahin. Das Seil, die Brücke - ÜBER mir. Während ich IN dem Loch friere und der eiskalte, graue Winter an mir sein Werk vollzieht. Ich kann mir nichts überziehen, auch wenn es mich schüttelt. Ich bin nackt dem Frost ausgesetzt. 

Ich verzweifle an dem Loch. 



Ich bin verzweifelt in dem Loch.

Ich zweifle immer weiter.

Ich zweifle immer mehr.

Ich zweifle schließlich an der Existenz der anderen Seite. Was kann da schon für ein Licht sein? Wie soll es mich jemals wärmen können, wenn es nicht die Sonne ist, die mich, mein Heim, mein Herz, mein Leben durchflutet hatte.

Ich bin überflutet. 

Von Zweifel.

Von Verzweiflung. 

Vom frostigen Schütteln. 


Rütteln.

Jemand rüttelt an mir und erzählt, er sei gerade von einem hauchdünnen Seil abgestürzt, das er vom Licht geblendet, für eine Brücke hielt.  

Lass die Sonne in dein Herz, DEINE Sonne - höre ich mich flüstern. 

Im kältesten Winter meines Lebens.

Im Riesenloch.

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