Heimat.Los

Zehn erste Stunden im Krankenhaus. Es war ein Mittwoch mit mindestens zehn Untersuchungen für dich und mehr als zwanzig unbekannten Menschen, die sich höflich vorgestellt hatten während ich mich nicht einen einzigen der Fremden merken konnte aber du vermutlich alles, was sie an deinem Körper tun mussten.

Ich merkte nur, dass wir heimatlos wurden. 

Stunde für Stunde, Wort für Wort, Handgriff für Handgriff, wurden wir haltloser und ausgeliefert an einem Ort, den niemand freiwillig aufsucht. Verwirrt zwischen Worten, die deinen guten Zustand beschreiben und der Möglichkeit der schwersten Erkrankung - Breigerede und geschmackloses Klinik-Essen. Gitterstäbe aus Metall an dem Bettchen, in dem du deinen Mittagschlaf halten sollst. Natürlich und selbstverständlich, ohne dass ich mich dazu legen kann. Wie heimatlos musst du dich gefühlt haben an diesem Mittwoch?!  Zum ersten Mal nicht in unserem Bett einzuschlafen und dann nur eine Hand gereicht bekommen durch die kalten Gitterstäbe in einem fremden Zimmer, unter Umständen die so fern von deinem gekannten Leben waren, wie Lichtjahre. 


Als wir nach diesem Tag aus der Klinik nach Hause kamen, verstand ich, was Heimat bedeutet. 


Es war nicht mehr ein Ort, kein bestimmtes Land, nicht die Lieder meiner Kindheit, nicht Omas Garten und auch nicht der Geschmack frisch gebackener Pfannkuchen zum Frühstück. Nicht die gut ausgewählten Möbel des Wohnzimmers und auch nicht der Plan der nächsten Monate auf dem hübschen Kalender. 

Es war.. 
dass wir zusammen einschlafen konnten, so eng und nah aneinander gekuschelt, wie wir es wollten. Es war die Umarmung zwischen deinem Papa und mir und das Versprechen, dass uns nichts und niemand unsere heile Welt nehmen wird zwischen uns dreien. Auch der Krebs nicht.
Es waren Tränen, die wir uns gegenseitig getrocknet haben. Es war Atemluft, die ich aufsaugte, um dein Weh wegpusten zu wollen. 
Es waren haltende Worte in der Bodenlosigkeit, und der Halt der Berührung im freien Fall. Wir wurden uns zu Heimat. 







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