Stehen Bleiben

Ich bleibe oft stehen, während sich die Welt weiter dreht. Erfahren, gelernt und eigentlich ist es doch jedem klar, Mensch kann sie nicht aufhalten. Und dann hast du ein totes Kind und willst es doch und musst komischerweise wirklich "lernen", dass es nicht geht. 

"Haltet die Welt an! - es fehlt ein Stück" ist nicht machbar - das weiß ich inzwischen. Von fehlenden Stücken bleibt der Rest,  der sich stets für ganz und vollkommen hält, meist unbeeindruckt. Das fehlende Stück ist aber mein Ganzes geworden in dem Augenblick, als es diese Welt verlassen hat. 


Da war kein Übrig und kein Rest und sonst noch was, nach dem ich mich vorher sehnte, weil Mutterschaft auch sehr einsam machen kann.

Nichts war mehr. Oder das Nichts war mehr als alles andere, das noch war. 

Ich musste stehen bleiben mit dem Tod meines Kindes, weil ich die Welt nicht anhalten konnte. Und es war gut, dass ich es gelernt habe. Sie dreht sich auch ohne mich weiter. Ich kann dem Drehen abhanden bleiben und bin trotzdem in der Welt. Umd mein Kind ist es auch. Gerade dann, wenn ich stehen bleibe.


Ich bleibe oft stehen deshalb. Jetzt. Lasse mich nicht beeindrucken vom Weltweiterdrehen und nicht hinreißen mitkommen zu müssen. Darin liegt meist der eigentliche Fortschritt.


Mein Sohn spielt gerade oft das Spiel, im Gehen nicht auf die Striche zwischen Fliesen oder Steinen auf dem Boden zu treten. Ich würde immer verlieren, weil mein Fuß zu groß ist.

 Außer ich bleibe stehen, halte inne, überlege sorgsam den nächsten Schritt, betrachte die vorhandene Fläche und Möglichkeit, suche nach passender. 

Drehe und wende den Fuß, lasse manches aus und nehme das Nächste. 

Oder trete nur auf Zehenspitzen. Dann kann ich weiter. Weil ich stehen geblieben bin.





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