NOVEMBERWÄSCHE -ein Ausschnitt Aus Dem Kapitel Über Die Erste Zeit DANACH

Kühle Luft strömt durch meine Nase. Der warme Ausatem, der sich wie Nebel um mein Gesicht legt, erinnert mich daran, dass ich am Leben bin. Der Himmel über mir glüht in hundert verschiedenen Rosatönen. Die Sonne treibt ihr Frabenspiel beim Abschied, erinnert mich daran, dass du nicht mehr am Leben bist. 

Das Rosa am Himmel verblasst ganz langsam, schleichend wird es getaucht in ein Grau bis es von der Dunkelheit verschlungen im Nichts verschwindet. Der Himmel über mir hat sich schwarz gefärbt, erinnert mich daran, dass ich auch nicht mehr am Leben bin. Die Rosafarbe hat den Himmel verlassen. 

Die Erde bleibt trocken.

Es regnet nicht.

Ein Abend im November.


Minuten später..


Die Rosafarbe verlässt meinen Wäschekorb.   Kleine rosafarbene Kleidungsstücke schauen aus dem riesigen Wäscheberg hervor, erinnern mich daran, dass du am Leben warst. Meine Hand greift nach dem Rosa, nach einzelnen Sachen, die von dir sein könnten. Ganz langsam ziehe ein Stück nach dem anderen heraus. Der schwarze Fliesenboden des Badezimmers wird getaucht in hundert verschiedene Rosatöne. Der Rest im Wäschekorb - der REST - erinnert mich daran, dass ich am Leben geblieben bin. Er ist riesig, weil ich  seit deinem Tod nicht mehr gewaschen habe. Es ist Anfang November - heute muss ich. Dass ich die Waschmaschine nicht mehr einzuschalten weiß, erinnert mich daran, dass ich doch nicht mehr am Leben bin.

Verwaschen mein Blick,  wandert zu dem Rosa auf dem Fliesenboden. Ganz langsam greift meine Hand danach. Ein kleines rosa Kleidungsstück vor meinem Gesicht. Ein Geruch legt sich um meine Nase, wie Nebel. Ein Geruch... nach seit über einem Monat nicht gewaschener Wäsche, erinnert mich daran, dass du nicht mehr am Leben bist. Dass ich dachte, es würde deinen Duft noch tragen, dass ich hoffte, dich riechen zu können, erinnert mich daran, dass... zwei Leben waren und nicht mehr sind. Erinnert mich an zwei Leben, die ich in einem lebe.

Zwei Leben. Zwei Wäschehaufen. Einer in rosa und der REST. Beide riechen gleichermaßen. Beide zeugen davon, dass du und ich am Leben waren, dass du es nicht mehr bist, dass ich es bin und doch nicht. 

Die Wäsche bleibt trocken.

Ich wasche nicht. 

Ein Abend im November.



Stunden später...


Das kleine Lämpchen der Waschmaschine lässt den Inhalt rosa leuchten. Geht aus und die Trommel beginnt sich zu drehen, vermischt die Rosasachen mit ein paar anderen hellen aus dem REST. Um meine Nase legt sich ein Duft von Waschmittel. Alles riecht gleichermaßen. Ich versuche der kreisenden Bewegung zu folgen. Sie wird zu einem endlosen Tunnel, Rosa und der Rest wechseln sich ab darin, erinnern mich an die zwei Leben, vermischt in einem unendlichen Drehen. Verwaschen mein Blick. Wandert zu dem Fliesenboden, der sich wieder schwarz gefärbt hat. Die Rosafarbe hat ihn wie den Wäschekorb verlassen. Mein Blick wieder bei der kreisenden Wäsche in der Trommel, bei den zwei Leben.

Die Augen bleiben trocken.

Ich kann noch nicht einmal weinen.

Ein Abend im November.


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