Auferstehung

Beginnende Gesichtslähmung, rechts...

Irgendwie so lautete der Beginn des Arztbriefes, den ich erst viele Monate später nach deinem Tod las. Wie man bezeichnet, was damals begonnen hatte, war mir ziemlich egal. Ich sah dich und wie dein rechter Mundwinkel den Bogen zu einem Lächeln nicht schaffte. Ich sah dich, die überhaupt nichts mehr zum Lachen hatte, und trotzdem kreischte auf der Schaukel.

Um Minuten später auf meinem Arm zu schluchzen, weil schaukeln nicht mehr schaukeln war, sondern ein Schwindelerlebnis. Der Tumor drückt auf einen Gesichtsnerv, ist so groß, dass dein rechtes Ohr kaum zu sehen ist. 

Ich sah dich, die trotzdem ihr Osternestchen im Garten suchte. Und mich, die trotz allem eines vorbereitet hatte. 

Die unbarmherzige Gewissheit des Fortschreitens des Krebs war nicht wegzufärben. Bunt waren nur die Ostereier. Klar wie das ungerührte Eiweiß, dass die Immuntherapie nicht helfen wird und du "raus" bist aus der Studie. Es blieb nur Rühren mit Hochdosischemo und Experimenten mit Farben der verschiedensten Tabletten. 


Am Ostermontag sind wir gekreuzigt, mit allerletzter Kraft und Hoffnung, die nur an deinen blutenden Wunden hing, in die Klinik zurück, wo alles begann. Wieder eine OP. Nun für einen Strohhalm am Hoffnungsende, für einen Halm, der Schlauch ist und aus der kleinen Brust herausragen wird für all die bunten Medikamentenmischungen.

Wie man das bezeichnet, war mir ziemlich egal. Ich sah dich, mit ersten quälenden Tumorschmerzen kämpfen und wie dich das Lachen verlässt, während die Welt die Auferstehung feierte. Ich sah dich, die sich nach Leben sehnt und näher ist am Tod. Und mich, die Nähe gebend stundenlang auf die brennend heiße Haut, die sich um den Tumor spannt, pustet, während zum ersten Mal die tatsächliche Möglichkeit deines Todes bei mir einzog. 



Und dann bist auferstanden von den Totgeweihten


nach diesem letzten Ostern im Frühjahr 

für einen letzten Sommer 

um im Herbst zu sterben.



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