Sich Selbst Spüren

Ich bekomme das Früher mit Lea und das Jetzt mit ihren Geschwistern oft nicht zusammen. Oder viel mehr nicht mich von damals und mich jetzt. Natürlich bin ich einfach nicht diesselbe und man könnte sagen, dann passt es ja zusammen. Tut es aber nicht. Denn ein Teil von mir ist immernoch derselbe von damals - etweder der zerbrochenen, der neu zusammengebaut wird oder vielleicht ist es auch der winzige, der heil geblieben ist. Und ich mag es wissen. Und spüren.

Ich will nicht Fotos betrachten aus meinem früheren Leben als Zuschauer. Ich mag nicht abgeschnitten sein von dem, was war, wenn ich mich übe im hier und jetzt zu sein. Ich mag die Aufteilung in ein Davor und Danach nicht, denn ich glaube fest an einen seidenen Faden, der Verbindung heißt. Und während die ersten Jahre meines Trauerweges im Fokus hatten, die Verbindung zu meinem verstorbenen Kind zu erspüren, ist jetzt das sich selbst spüren dran. Und den seidenen Faden finden, der ein roter Faden meines Leben ist. Vermutlich.

Also laufe ich barfuß durch das noch ins Tau getauchte Graß und erinnere mich, wie genau dort Lea Gänseblümchen gepflückt hatte.

Ich wage mich auch im Oktober ins kalte Nass des Wassers und erinnere mich daran, wie Lea genau hier Steine hinein geworfen hatte.

Ich sehe den weißen Schmetterling, der ganz dicht an mir vorbei flattert über dem Wasser tanzen und Leas kleine Schwester, die in demselben Moment kreischt "Maaamaaa, schau Mal".

Und ich spüre. Das damals. Das Jetzt. Mich. 





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