Das Schöne Im Grausamen

Es fehlte noch ein Abschied. Der Abschied eines Kindes von seinem Kinderzimmer.


Das Morphium wurde auf meinen Wunsch hin reduziert. Du warst den ganzen Vormittag wach - lächelnd, plaudernd, wieder ruhig.. essend, malend, wieder erschöpft, aber schlafen wolltest du nicht.

Also traute ich mich. Traute meinem Gefühl und fragte, ob du aus dem Bett möchtest. Deine ausgestreckten Arme mehr als Antwort. Dich noch einmal tragen durch die Wohnung. Noch einmal tragen und nicht nur halten. 

Bevor ich im Flur Richtung Wohnzimmer abgebogen wäre, hast du mit dem Finger eine andere gezeigt und deine leise Stimme an meinem Ohr sagte "in das Spielezimmer". Das war das deine...

Ja, Wohnzimmer- Abschied war ja schon - dämmerte es mir. Wie klar mir war, dass du dich verabschieden möchtest. Wie gut, dass ich das Morphium habe niedriger dosieren lassen. 


Viele Dinge in deinen Händen nocheinmal betrachtet und wieder weg gelegt. Die liebsten Spielsachen etwas länger. Und ein Puzzelbuch mit Reimen, die du auswendig kanntest in voller Länge - ein letztes Mal - "und die Kröte, die spielt Flöte". 


Die letze Seite zu. Du wolltest wieder ins Bett. Ich trug dich und wusste, dass ich dich das letzte Mal trage durch unsere Wohnung. 

Am Türrahmen blieb ich stehen, weil du dich umgedreht hattest - ein letzter Blick hinein.

Und dann dein Blick zu mir. Deine Hand streichelte über die weiße Türe, an der ein Schild befestigt ist mit deinem Namen während uber deine trockenen Lippen kam "schöne Zimmer, Mama". 


Ich habe es dir schön gemacht, so gut ich konnte. Und dieser kurze Satz von dir hat lange Nachwirkung, die mich heute trägt, wenn ich weinend auf die Bilder schaue von heute vor sechs Jahren. 



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