Grenzen

So kurz vor deinem Tod dachte ich an meine Grenze gekommen zu sein. An eine, wo ich nicht wusste, ob mir ein "weiter danach" oder "nochmal alles zurück" mehr oder weniger grausam schien. Was hatten wir nur bis dahin schon durchmachen müssen, mein Kind..

Bis zu dieser Grenze, an der ich verzweifelt schrie, warum das, was dir gerade passierte auch noch sein muss, wo du doch ohne den geringsten Zweifel schon dem Tod näher warst als dem Leben. 

Ein Lymphknoten geplatzt - der Tumor hatte nun eine offene Stelle. 

Grenze.  Ich kann das nicht mehr. Ich kann keine Verbandswechsel mehr machen.

Und dann war da jemand vom Palliativteam und machte einen neuen Verband und ich saß auf der anderen Seite deines Bettchens und hielt deine Hand zwischen den Gitterstäben und sah wie geräuschlos Tränen deine Wangen hinunter liefen.

Die Grenze meiner gedachten Grenze.

Die letzten Verbände haben dein Papa und ich gewechselt. Grenzen haben ihren Endpunkt gewechselt. 


Irgendwann rund um heute vor sechs Jahren. Ich weiß nicht den genauen Tag. Aber heute musste ich daran arg denken, weil jemand Grenzen überschritten hatte im Umgang mit deinen Geschwistern. Und das ist meine absolute Grenze. Nicht dehnbar. Ich habe sie durch dich tausenfach erweitert. Aber auch an vielen Stelle sehr eng gemacht. Da, wo es um euch - meine kostbaren Kinder geht und eure Grenzen gegenüber dem begrenzen Horizont vieler Erwachsenen. 


Kommentar schreiben

Kommentare: 0