Todestag. Der Sechste

Zwei Minuten. Zwischen meinen zwei Blicken auf die Uhr. Schweres, tiefes, langes Ausatmen. Zwei Minuten.

Kein Einatmen. Meine Hand auf deinem Brustkorb, der sich nicht mehr hebt. Gesenkt hatte er sich und mein Blick auf die Uhr. Und mein ganzes Sein auf dein Nicht-mehr-hier-sein. 

Zwei Minuten lagen zwischen deinem Gehen und meinem Merken, dass du gegangen bist. Und sie kamen mir vor, wie zweitausend Bruchteile einer Sekunde. 

Sechs Jahre ist es her. Die Relation stimmt in etwa. Als wäre es zwar nicht heute aber mindestens gestern passiert. 

Die Welt hatte sich in jeder Sekunde der zwei Minuten weiter gedreht und blieb dennoch stehen - für mich. Und für dich. Für diesen Übergang in Etwas, das keine Zeit kennt.


Wenn ich je etwas über Einsteins Relativitätstheorie verstanden habe, dann war das in diesen zwei Minuten. 


Nichts zwischen uns hat sich in sechs Jahren geändert. Außer der Jahrenzahl. Weil der Moment bleibt, als sich dein Brustkorb unter meiner Hand nicht mehr zu einem neuen Atemzug erhebte. Vielleicht fehlst du sogar ein wenig mehr, weil ich es damals in den ersten Minuten nicht begriffen hatte, dass du nie mehr zurück kommst. Was die Zeit geschafft hat, ist die Gewissheit darüber. Nicht mehr und nicht weniger. Du bist immer noch gestorben. Ich bin immer noch traurig. Seit sechs Jahren mein Dauerzustand neben vielen anderen Gefühlen. Du bist immer und für immer bedingungslos geliebt. Ich suche immer noch nach Bedingungen, unsere Liebe zu leben. Seit sechs Jahren bist du nicht mehr da und doch alles, was mein Dasein bestimmt. Vermutlich weil Einstein Recht hatte, dass nicht nur Zeit sondern auch Raum relativ ist. 


Mein geliebtes kostbares Kind! Du fehlst heute 

um 20:34 Uhr oder eben 20:36 Uhr - weil die zwei Minuten dazwischen nichts und alles waren - seit sechs Jahren. Und das bleiben sie. Weil Zeit relativ ist. Du fehlst.



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