Reduziert

Es gab Tage, da war mein Fühlen auf ein einziges Gefühl reduziert. Die Angst vor dem Krebs, der in deinem kleinen Körper wütete. 

Ich gab mir größte Mühe, dass du nicht darauf reduziert wirst. Dass man dich in erster Linie als das, was du warst, sah - ein zweijähriges Kind.

Dass ich dich liebesüberflutet als das empfand, was du mir bist - mein Mädchen. 


Ich gebe mir auch jetzt größte Mühe, dass dein gewesenes Sein nicht auf den Krebs reduziert wird.

Dass ich dich tränenüberflutet wiedergeben kann mit meinen Worten als das, was du bist - ein kleiner Mensch, dem Schlimmes wiederfahren ist und der so viel mehr ist als seine Krankheit war.

Dass man dich nicht auf deinen Tod reduziert. 


Weißt du, die Gedanken kamen mir gerade, weil ich schlimme Bitterkeit empfand beim Spaziergang durch den Friedhof, wo dein Grab ist. Dein Name in bunter Schrift auf einem Stein verewigt.

Da gibt es einen anderen Grabstein. Auf dem stehen keine Namen. Aber auf den vielen bunt bemalten Steinen, die darunter liegen zwischen Kuscheltieren, Kerzen und kleinen Blumensträußen. Ganz kleine Babys, die im Bauch ihrer Mama sterben mussten, sind dort begraben. Ein Sammelgrab für kleinste Sternenkinder.


Ein "Fötengrab" stand auf einem Schild der Friedhofsverwaltung geschrieben und trieb mir Tränen in die Augen, die nur bitter sein konnten.


Die Steinchen haben Eltern bemalt und die Namen ihrer Babys darauf geschrieben, die sie dort beerdigt hatten. Sie bringen Grabschmuck hin und zünden dort Kerzen an. 


Für ihre Sternenkinder. 


Glaubt der Mensch, der dieses Wort für das Schild getippt hat, dass irgendeiner von ihnen ihr Kind als Fötus bezeichnet? 

Sie wurden reduziert. Auf ihren Tod vor der Geburt. Auf einen medizinischen Begriff. Während ihre Eltern Namen für sie haben.. 


Bitter ist das.


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