Neue.Wege.Neue.Welt.Sicht

Straßen. Wege. Pfade. Autobahnen.

Schotter. Steine. Glatter Asphalt. 

Ebener Untergrund. Hügel. Berge. Täler. 

Hinweisschilder. Wegbeschreibungen. Karten. Kompasse. Alle wollen irgendwohin. Ziele sind Ikonen und strahlen im Heiligenschein. Alle beten sie an, voller Erwartungen. 


Sackgassen ohne Wendemöglichkeit.. 


Umkehren. Schritte zurück.

Schotterwege. Unebene Straßen. Rasen auf der Autobahn ohne Schilder. Berge besteigen ohne Kompass, ohne Täler darunter. Straßensperren ohne Umleitungen. 


Kein Ziel zu haben, ist mein Heil in der Orientierungslosigkeit.


Zu Fuß. 

Barfuß. 

Auf steinigen Pfanden.


Bis zum Gipfel.


Bis zum Kreuz - 

Täler unter mir, Berge hinter mir. - Wege, Straßen, Pfade dahin unbedeutend. Karten, Hinweisschilder neu geschrieben. Der Kompass hat seine Orientierung verloren und die Pole neu gesetzt.


Meine Art, durch die Welt zu gehen hat sich verändert. Mir sind keine neuen Füße gewachsen. 

Mir wurden welche amputiert. Und noch viel mehr. Mein Kind ist mir gestorben. 


Neuer Kompass für den Bergabstieg auf Krücken oder den Fall auf unebenen Pfanden mit dem Rollstuhl. Der Ort, wo ich falle, ist schon mein Ziel. Los! Ohne Orientierung. Pfande, Wege, Straßen dahin unbedeutend.


- Ich sehe die Welt mit anderen Augen. Ich gehe durch die Welt mit anderen Füßen, die erst wachsen müssen. Oder ist die Welt eine andere? Das neue Leben danach. Das ungewollte.- 

Diese Sätze lese ich so oft, wie ich sie auch selbst ausspreche, ohne zu konkretisieren. Aber einmal möchte ich es tun, es zumindest versuchen. Dabei müsste es fast ein dickes Buch werden, bezieht es sich doch auf alle Bereiche des Seins. 

Es fällt mir schwer, mich auf Alltagsbegebenheiten einzulassen und noch schwerer Gespräche darüber zu führen. Mich interessieren Nachrichten aus der Welt der Politik, genauso wenig wie Börsenkurse und Sportereignisse. Ebenso habe ich nichts mehr übrig für das kaputte Auto des Nachbarn, oder den nicht gelungenen Urlaub der Freundin. Streitgespräche, die ich gezwungen bin, mit anzuhören, das Anschreien von Kinder auf dem Spielplatz wegen Banalitäten, schmerzt fast schon körperlich in mir. 

Nein, ich bin nicht gleichgültig geworden. Ich habe Gleichmut gelernt.

Ich bin berührbar, wie noch nie zuvor, für das Leid der Menschen geworden, für den Schmerz der Welt. Und auch für ihre Schönheit. Ich bin oft gefesselt vom Anblick einer Blume, von den Bewegungen eines flatternden Schmetterlings, vom Glanz des Sonnenuntergangs, der sich auf dem Wasser widerspiegelt. Angesichts deines Todes, scheint mir alles Lebendige Ehrfurcht einzuflößen. 

Ich begreife allmählich, wie tief und nachhaltig dein Tod mich verändert hat. Und kann es mir nicht eingestehen, darin etwas Gutes zu sehen. Ich habe Angst vor der Schlussfolgerung, das könnte der Grund für deinen Tod sein. Ich will nicht, dass er auch nur mittelbar irgendetwas Gutes hat. Dabei weiß ich, meine Liebste, dass dem nicht so ist.. 

dass ich deinen Tod, unser gemeinsames Leiden, und meines danach, differenziert betrachten muss. Aber es fällt so schwer, weil der Rest der Welt nicht differenziert, zwischen mir vor und nach deinem Tod.

Manchmal genieße ich meine neue Weltsicht, fliege über mich hinaus, genieße die Perspektive. Und dann lande ich auf dem Boden der Perspektivlosigkeit und wünsche mir eine Welt, die mich nicht vor solche Fragen stellt. 

Ich wünschte, neuen Augen zu haben und auch keine neuen Füße 

Ich wünsch mir mein Leben zurück.  

Kommentar schreiben

Kommentare: 0